Die Zehnkämpfer Damian Warner (l.) und Ashton Eaton. © dpa bildfunk Foto: Franck Robichon

Busemanns Kolumne

Das gibt es nur im Zehnkampf

Einmal Zehnkämpfer, immer Zehnkämpfer: Wenn bei Olympischen Spielen die Könige der Athleten ihren Wettkampf bestreiten, bekommt ARD-Kolumnist Frank Busemann Schweißausbrüche. Mit Bewunderung blickt der Silbermedaillen-Gewinner von Atlanta 1996 auf seine Nachfolger.

Im Grunde genommen ist Zehnkampf ganz einfach: Zehn Disziplinen, etwa 30 Athleten und zwei Tage. Und am Ende gewinnt Ashton Eaton. Soweit die Rahmendaten. Allerdings gibt es auf dem Weg dahin und an den Wettkampftagen eine Menge Geschichten. Zum Beispiel die des Arthur Abele. Was der schon alles nicht hatte. Ohrläppchenzerrung, Zungenmuskelkater, oder keinen Willen. Nach unglaublichen Verletzungen kommt er immer wieder und stellt in diesem Jahr seine Bestleistung auf. Das kann auch als Wunder bezeichnet werden.

Klar, dass er in Rio den ganz großen Wurf landen wollte. Im Nachhinein muss man sagen, dass er nicht locker genug war. War dieser Willen, diese unglaubliche Fokussierung, dieses "Du-kleine-scheiß-Verletzung-zwingst-mich-nicht-in-die-Knie" bisher Erfolgsrezept für Comebacks, war es dieses Mal scheinbar ein Hemmnis. Die Lockerheit fehlte ein wenig und schlug sich schnell auf den Körper nieder. Lohn war eine 10,0 in der Schmerzwertung. Am Tag danach wird er sich miserabel fühlen. Seelisch und körperlich.

Kai Kazmirek oder: Die Leichtigkeit des Seins

Kai Kazmirek auch. Körperlich. Seelisch wird er mit einem Grinsen durch Rio de Janeiro schlawenzeln. Dieser Mann ist pure Nonchalance. Die Leichtigkeit des Seins. Zehnkampf? Genau mein Ding! Biste in Form? Klar! Was hättest Du gern für ein Wetter? Schön warm, ist besser für die Muskulatur. Kai ist die Ruhe selbst. Und das hilft ihm auf den Punkt topfit zu sein. Es ist auch vollkommen egal, was sich Petrus oder irgendwelche Gegner einfallen lassen, um ihn zu stören. Regen? Egal, ist für alle gleich! Lange Wettkampfzeiten? Gehört dazu. Nach Tag eins liegt er auf Platz zwei. Zeit zum Nachdenken, nervös werden. Wozu? Einfach weitermachen. Im Endstadium des Stabhochsprungs lässt er 5,10 Meter aus? 5,10! Aus! Ob 5,10 oder 5,20, egal. Das bringt nur ein Kazmirek - und Ashton Eaton.

Ashton Eaton "zehnkämpft" in einer anderen Liga

Zehnkämpfer Frank Busemann jubelt über Olympia-Silber in Atlanta. © picture alliance Foto: Norbert Schmidt

Frank Busemann gewann Zehnkampf-Silber 1996 in Atlanta.

Der war auch nicht schlecht. Da stellt Ashton Eaton mit 8893 Punkten einen olympischen Rekord auf und ich denke: Na ja, ging so. Das ist doch schlimm. Zeigt aber auch seine Klasse. Bei seinem letzten Weltrekord hatte er auch nur zweieinhalb richtig gute Disziplinen dabei. In Rio nur ein bis zwei. Für Ashton. Für die anderen wäre das ein Hammer nach dem anderen. Den hat Kevin Mayer abgeliefert. War er vor vier Jahren mit 20 Jahren und 8415 Zählern im Konzert der Großen wahrgenommen worden, hat er jetzt wie im Rausch mit 8834 Punkten und Silber seine Meisterprüfung bestanden und dem König der Athleten alles abverlangt.

Große Ziele, große Taten

Jeder Wettkampf erzählt seine eigenen Geschichten. Die Ankündigung von Abele etwa, 8750 Punkte machen zu wollen, wirkt heute wie wirres Geschwätz, aber wenn er nicht in solchen Dimensionen denken würde, dann hätte er schon lange aufgegeben. Eigentlich schien Kazmireks Speer nicht fliegen zu wollen und die 1500 Meter nicht enden zu wollen. Es wäre nicht er, wenn er nicht unter größtem Druck zwei Bestleistungen im Finale anböte und zudem noch mit ganz starken 8580 Punkten belohnt würde. Es gibt nicht viele perfekte Zehnkämpfe, der des Franzosen war einer. Vorerst. Und der König der Athleten ist ein wahrer König, weil er überdies noch Gentleman ist und von allen Konkurrenten gemocht und respektiert wird. Das gibt es nur im Zehnkampf.

Dieses Thema im Programm:

Sportschau live, 21.08.2016, 07.00 Uhr

Stand: 19.08.16 07:04 Uhr

Das ist Frank Busemann

Geboren:
26. Februar 1975 (Recklinghausen)
Disziplinen:
Zehnkampf, Hürdensprint
Sportliche Erfolge:
Olympia-Silber 1996 (8.706 Punkte)
WM-Bronze 1997 (8.652 Punkte)
U23-Europameister 110 m Hürden 1997 (13,54 Sek.)
Juniorenweltmeister 110 m Hürden 1994 (13,47 Sek.)
Auszeichnungen:
Rudolf-Harbig-Gedächtnispreis 2004
Sportler des Jahres 1996
Karriereende:
23. Juni 2003
Karriere nach der Karriere:
Vorträge/Seminare zum Thema Motivation
Buch-Autor
ARD-Leichtathletik-Experte
(Morgenmagazin, Das Erste, sportschau.de)

Busemanns Olympia-Orakel